Kuscheltiere, Puppen, Porzellan, Kochbücher und über 4000 Gesellschaftsspiele – das Spielwarengeschäft auf dem Sonnenwall in Duisburgs Innenstadt ist ein Paradies für Kinder und all diejenigen, die sich das Kind im Herzen bewahrt haben. Hier beraten Boris Roskothen und sein Team Kundinnen und Kunden mit großem Fachwissen und viel Gespür, um das perfekte Spiel für jedermann und –frau zu finden. Das Geschäft ist in Duisburg und den angrenzenden Städten wie Mülheim oder Oberhausen längst zu einer Institution geworden. Besucherinnen und Besucher kommen aber auch aus Köln, dem Niederrhein oder den Niederlanden vorbei. Vor 25 Jahren hat Boris Roskothen den Spielwarenladen von seinem Vater übernommen und leitet ihn in fünfter Generation. Seit der Gründung 1879 hat sich vieles verändert, dabei ist die Veränderung der Motor, der das Familiengeschäft über 140 Jahre „am Laufen“ hält. Roskothens Geschichte ist geprägt von Herausforderungen und Existenzängsten, aber auch von neuen Ideen, viel Unterstützung durch Familie und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und den immerwährenden Einsatz für die eigene Heimat.

 

„Bis heute ist unser Credo: Wir verkaufen Dinge nicht einfach nur, weil sie gerade ‚in‘ sind oder super Umsätze machen. Wir reflektieren und schauen, ob das Spielzeug nachhaltig ist oder zu unseren pädagogischen Ansätzen passt“, erzählt Boris Roskothen. Hinzu kommen jede Menge schöne Dinge, die man verschenken kann. Das Sortiment und die Schwerpunkte haben sich im Laufe der Jahre immer wieder verändert, nicht zuletzt, als der heute 58-Jährige das Geschäft von seinem Vater übernahm. Dabei hatte Boris Roskothen zunächst andere Pläne und studierte Physik und Geografie auf Lehramt, arbeitete aber schon immer nebenbei im Geschäft der Familie. Als sein Vater krank wurde, hielt er mit Volleinsatz die Stellung im Laden. „Ich bereue diese Entscheidung nicht – es macht mir nach wie vor großen Spaß, Produkte selbst auszuprobieren, um sie den Kundinnen und Kunden empfehlen zu können – trotz 70 Stunden-Woche“, betont der Spielwarenhändler. Das Geschäft gegründet hatte sein Ur-Ur-Großvater, Heinrich Roskothen. Der gelernte Korbmacher verkaufte 1879 zunächst seine selbstgemachten Waren in Hattingen, bis er zwei Jahre später nach Duisburg zog und sich vollkommen auf den Einzelhandel konzentrierte. Die Korbwaren wurden durch Korbmöbel und erste Spielwaren wie Puppenwagen ergänzt. Seitdem nahmen Spielwaren einen immer größeren Platz im Geschäft der Roskothens ein.

Auf die Frage, ob es Fluch oder Segen sei, das Familiengeschäft zu übernehmen, gibt es keine eindeutige Antwort: „Es ist von beidem etwas. Zum einen ist es natürlich etwas Besonderes, unseren Spielwarenladen über so viele Jahrzehnte aufrechterhalten zu können. Manchmal ist es aber auch ein Fluch, weil man an vielen Dingen festhalten möchte und muss. Man spürt den Druck, dass man das Geschäft erfolgreich weiterführen muss.“ Den Schlüssel zum Erfolg sieht er in der Bereitschaft, sich und das Geschäft immer wieder zu verändern. „Umstellungen sind erstmal nicht so leicht – für die Kundschaft, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch für einen selbst. Wenn man sich einmal durch diesen Prozess durchkämpft und erste Erfolge sehen kann, macht Veränderung Spaß“, sagt Boris Roskothen. Die Strategie geht auf: Die Kundschaft hat sich neben den Kindern zuletzt stark verjüngt. Mehr Mitte Zwanzig- bis Mitte Dreißigjährige kommen bei Roskothen vorbei.

Schwierige Zeiten und Herausforderungen

Foto: Martin Möller / FUNKE Foto Services

Dabei hat das Traditionsgeschäft über die Jahrzehnte auch schwierige Zeiten durchlebt: Im zweiten Weltkrieg, als die Stadt Duisburg zu 80 Prozent zerstört wurde, traf es auch das Geschäft Roskothen. Die Bombeneinschläge von 1941 und 1944 hinterließen vom Gebäude nur noch Schutt und Asche. Der wirtschaftliche Aufschwung in der Nachkriegszeit ließ das Geschäft dann wieder aufleben. Ein weiterer Tiefpunkt folgte 2013, als der Laden aufgrund finanzieller Probleme kurz vor dem Aus stand. Doch auch diese Krise konnte durch neue Verkaufsstrategien wie Sortimentserweiterungen oder Veranstaltungsformate und harte Arbeit überwunden werden.

Seit ein paar Jahren stellt der wachsende Online-Handel das Geschäft vor neue Herausforderungen. Zur größten Konkurrenz zählen vor allem große Handelsketten wie namhafte Möbelgeschäfte oder Discounter, die Spielwaren zu unschlagbar günstigen Preisen verkaufen. Die Menschen würden für ihren Kaufmannsladen aus Holz nicht mehr in die Innenstadt gehen, sondern zum Supermarkt um die Ecke. „Der Spruch ‚Das Internet zerstört die Innenstädte‘ ist falsch“, stellt Boris Roskothen klar, der sich neben seinem Geschäft auch verstärkt in der Duisburger Stadtentwicklung engagiert und Vorsitzender des Handelsausschuss der IHK Niederrhein ist. Er sieht die Fehler in der Innenstadtplanung, die etwa in den 1960er Jahren festgelegt wurde. „Innerstädte sollten nicht nur als reine Einkaufsflächen genutzt werden, sondern ein Lebensmittelpunkt mit Spielplätzen, Grünflächen, Sport- und Kulturangeboten, attraktiven Wohnungen oder auch dem Handwerk sein. Der Fokus auf den Handel war, beziehungsweise ist mir immer noch viel zu hoch.“ Grundsätzlich werde zu wenig für junge Menschen getan, obwohl diese unheimlich wichtig für eine gesunde Stadtentwicklung seien. Außerdem ist Boris Roskothen ein überzeugter Vertreter von verkehrsberuhigten Zonen in den Innenstädten. „Leider wurde diese Entwicklung zu spät gesehen und von der Politik nicht rechtzeitig dagegen gesteuert. Doch langsam findet ein Umdenken statt. Bauprojekte wie ‚6-See-Wedau‘ oder das Mercatorquartier am Rathaus machen Hoffnung“, sagt der Ladenbesitzer.

Der Spielwarenladen von außen.
Der Spielwarenladen Roskothen heute....
Spielwarenladen von außen-1941-schwarz-weiß-Kunden stehen Schlange
... und 1941 bei der Wiedereröffnung nach dem ersten Bombeneinschlag.

Heimat – mehr als nur ein Ort oder Geschäft

Doch was treibt Boris Roskothen an, sich immer wieder für den eigenen Familienbetrieb und die Stadtentwicklung vor Ort einzusetzen? Ist es auch der Einsatz für die eigene Heimat? Für ihn bedeutet der Begriff vor allem Zusammenhalt und etwas Abstraktes, losgelöst von Dingen und Gebäuden: „Heimat bedeutet für mich: Ich bin zu Hause. Dabei kommt es weniger auf einen bestimmten Ort an, sondern das Gefühl hängt von den Menschen ab, die mich umgeben und in schwierigen Zeiten für mich da sind. Dazu gehört meine Familie, aber auch meine Mitarbeitenden, mit denen man neben der Arbeit auch mal quatscht.“

In einem funktionalen oder politischen Kontext findet Boris Roskothen den Begriff schwierig: „Heimat ist etwas sehr Persönliches und Individuelles – wie soll eine ‚Heimat-Ministerin‘ das für jede einzelne Bürgerin oder jeden einzelnen Bürger abbilden können?“ In der Politik, zumindest in NRW, würde der Begriff interessanterweise mit Städtebau und Gebäuden in Verbindung gebracht werden – das passe nicht zusammen. „Ministerien bündeln mehrere Aufgaben unter einem Dach, aber Heimat ist keine Aufgabe, sondern ein Gefühl“, sagt der Spielwarenladenbesitzer.

Die Kunst zu spielen

Foto: Martin Möller / FUNKE Foto Services

Was ihn noch antreibt? Der Spaß an Gesellschaftsspielen, nicht umsonst stapeln sich in seinem Geschäft Spiele jeglicher Art. Boris Roskothen und sein Team haben es sich zur Aufgabe gemacht, für jeden das richtige Spiel zu finden: „Wir geben natürlich keine Garantien ab, dass unseren Kundinnen und Kunden ein Spiel gefällt, aber in den meisten Fällen beraten wir die Leute richtig.“ Um herauszufinden, welches Spiel zu wem passt, werden explizite Fragen gestellt, was die jeweilige Person gerne mag und spielt. Daraus entwickelt sich dann ein Profil, auf dessen Grundlage das passende Gesellschaftsspiel gefunden wird. „Brettspiele sind sehr beratungsintensive Produkte, einfach weil jedes Spiel anders ist. Es ist ähnlich wie bei Büchern: Nur weil das Siegel ‚Spiel des Jahres‘ auf dem Karton steht, muss es nicht gleich jedem gefallen. So ist es auch mit Bestsellern bei Büchern“, erklärt der Duisburger. Mit dem Spielen ist es darüber hinaus wie mit dem Begriff Heimat – eine sehr individuell empfundene Sache. Außerdem sind Spiele sehr variantenreich: Es gibt unterschiedliche Materialien, Abläufe oder Spieldauern. „Ein Spiel kann auf den ersten Blick in einer kleinen unscheinbaren Verspackung stecken, kann dich aber vom Spielumfang völlig überfordern“, so der Fachmann.

Ein eigenes Lieblingsspiel hat Boris Roskothen nicht – dafür gibt es einfach viel zu viel Auswahl auf dem Markt: „Im Moment spiele ich sehr gerne ‚Codex Naturalis‘, von einem Verlag, der aus meiner zweiten Heimat, der Bretagne kommt.“ Es ist ein Ressourcen-Spiel, bei dem jede Runde etwa zwanzig Minuten dauert. „Das Spiel ist nicht ganz so komplex und man kann es relativ schnell erklären. Es fordert aber auch den ‚Vielspieler‘, weil in jeder Runde eine neue Strategie entwickelt werden kann. Zusätzlich besteht es aus sehr hochwertigen und schön gestalteten Materialien“, zeigt sich Boris Roskothen begeistert.

Wer Spiele ausprobieren oder in größerer Runde einen gemeinsamen Spieleabend verbringen möchte, kann zu einer der von Roskothen organisierten Veranstaltungen kommen. Seit über 30 Jahren organisiert der Einzelwarenhändler Spieleabende – erst im eigenen Laden, dann in Bars, Cafés wie dem „Edel” oder im soziokulturellen Zentrum „Stapeltor”. Frei unter dem Motto „Come as you are – Hauptsache, du kennst, wenn du gehst, ein paar nette Menschen mehr“. Aktuelle Termine zu den Spieleabenden werden über die Social-Media-Kanäle Facebook @ROSKOTHEN DIE KUNST ZU SPIELEN oder Instagram @roskothen1879 veröffentlicht.

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