Freitag, 23. August 2024
Rüdiger Grimm, 70, ehrenamtlicher Helfer bei der Tafel Gelsenkirchen
Was hat Sie dazu bewogen, sich ehrenamtlich bei der Tafel GE zu engagieren?
Ich bin seit 2020 pensioniert und wollte mich gerne engagieren, um im Ruhestand fit zu bleiben. Für mich ist es selbstverständlich sich sozial zu engagieren, ich sage immer: Wenn jeder ein bisschen was tut, dann ist die Welt nicht gerettet, aber insgesamt besser. Über einen Artikel in der WAZ bin ich damals darauf aufmerksam geworden, dass die Tafel Gelsenkirchen ehrenamtliche Helfer sucht. Bei einem Termin vor Ort wurde mir dann alles über die Arbeit der Tafel erklärt und ich habe verschiedene Stationen durchlaufen, um alle Arbeitsschritte einmal kennenzulernen. Die anderen Helferinnen und Helfer waren von Anfang an alle sympathisch und ich habe mich hier direkt wohl gefühlt. Und auch mit den Kundinnen und Kunden kommt man gut zurecht. Das finde ich sehr wichtig, denn die Arbeit muss ja Spaß machen. Ich bin ja freiwillig hier, da möchte man sich nicht ärgern.
Was genau ist Ihre Tätigkeit bei der Tafel Gelsenkirchen und wie sieht ein typischer Tag für Sie aus?
Insgesamt bin ich zwei Mal die Woche für die Tafel im Einsatz – einmal am größten Standort in der Gelsenkirchener Innenstadt auf der Hansemannstraße und das andere Mal in Rotthausen. Mein Tag startet in der Regel um 8 Uhr morgens, wenn die Ware geliefert wird. Dann heißt es erstmal Kisten schleppen, den Zustand der Lebensmittel prüfen und sortieren und alles für die Warenausgabe vorbereiten. Diese beginnt dann ab 10 Uhr. Mein Hauptarbeitsbereich ist die Ausgabe von Gemüse, neben mir steht beispielsweise meine Kollegin und verteilt das Obst. Nach der Schicht, wenn die Lebensmittel ausgegeben wurden, haben wir noch lange nicht Feierabend. Im Anschluss wird geputzt und alles wieder aufgeräumt. Das nimmt auf jeden Fall nochmal viel Zeit in Anspruch, aber man geht am Ende des Tages gegen 13 Uhr zufrieden nach Hause.
Was sind die größten Herausforderungen bei der ehrenamtlichen Arbeit?
Als ich hier bei der Tafel Gelsenkirchen angefangen habe, hätte ich nicht gedacht, dass die Arbeit so komplex ist. Hier muss alles Schlag auf Schlag gehen, jeder Handgriff ist miteinander verzahnt. Zum Glück kann man sich aber immer auf die anderen Kolleginnen und Kollegen verlassen. Am größten Standort der Tafel sind pro Schicht acht bis neun Ehrenamtliche im Einsatz – es könnten aber gerne noch mehr sein. Diese müssen pro Tag um die 140 Kundinnen und Kunden unterstützen. Zu den größten Herausforderungen zählt dabei, dass man einen Überblick über die Menge der Lebensmittel behält und gut mit der Ausgabe der Ware haushaltet, denn die Anzahl der gelieferten Produkte und Spenden variiert von Tag zu Tag. Hinzu kommt, dass man nie genau weiß, wie viele Personen zur Ausgabe kommen. Wir müssen also abwägen, dass wir zu Beginn der Warenausgabe nicht zu viele und auch nicht alle qualitativ hochwertigen Lebensmittel auf einmal verteilen. Es sollen ja alle Kundinnen und Kunden über den Tag gleich versorgt werden
Wie hat sich die Situation der Bedürftigen und die Nachfrage nach Unterstützung bei der Tafel Gelsenkirchen im Laufe Ihrer Tätigkeit verändert?
Die Corona-Pandemie hat vieles verändert – hinzu kommen aktuelle Krisen, Kriege wie der in der Ukraine und die Inflation. Dadurch haben wir viel mehr Besucherinnen und Besucher bei der Tafel. Als ich anfing mich ehrenamtlich zu engagieren, waren es vielleicht täglich 100 Kundinnen und Kunden pro Tag, heute sind es wesentlich mehr. Dadurch kommt manchmal der persönliche Kontakt zu den Menschen zu kurz, weil man weniger Zeit für die Verteilung der Lebensmittel hat. Vor große Herausforderungen stellte uns zuletzt der Angriffskrieg in der Ukraine und seine Auswirkungen, die wir direkt zu spüren bekommen haben. Plötzlich standen viele Menschen aus der Ukraine vor unserer Tür und wir wollten ihnen helfen – ohne, dass wir irgendwelche ukrainische und russische Sprachkenntnisse in unserem Team hatten. Über Kontakte konnten wir uns aber auch da gegenseitig unterstützen.
Können Sie von einem Erlebnis berichten, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist und das Ihnen zeigt, wie wichtig Ihre Arbeit ist?
Da gibt es viele – aber eines kann ich vorwegnehmen, es sind immer positive Erlebnisse. Wenn wir hier mit den Kolleginnen und Kollegen nach unserer Schicht fertig sind, alles verteilt und alles wieder sauber ist, dann sagen wir „Mensch, das haben wir doch wieder gut hingekriegt!“ Auch wenn die Umstände manchmal schwierig sind. Wir sind mittlerweile ein eingespieltes Team. Und auch am kleineren Standort in Rotthausen halten wir zusammen. Dort sind wir immer montags im Pfarrsaal der St. Barbara-Kirche und geben Lebensmittel aus. Auch wenn es dort etwas provisorischer ist – wir haben dort zum Beispiel keine große Kühltheke wie beispielsweise in der Innenstadt – läuft alles reibungslos unter den Kolleginnen und Kollegen. Das schöne ist dort, dass man auch engeren Kontakt zu der Kundschaft hat, man hat mehr Zeit sich mit den Menschen auszutauschen, weil alles kleiner ist. Manche Kundinnen und Kunden sind grundsätzlicher offener als andere, da kommt man öfter ins Gespräch. Wir bekommen aber auch immer wieder viel positive Rückmeldungen und Lob von den Leuten, das tut sehr gut. Wir erleben viel Dankbarkeit.
Erleben Sie das Ruhrgebiet als eher sozial engagiert oder nicht?
Es kann natürlich nie schaden, wenn sich mehr Leute engagieren und auch im speziellen bei den Tafeln im Ruhrgebiet helfen. In Gelsenkirchen empfinde ich die Bereitschaft der Menschen sich zu engagieren sehr hoch. Wir haben ein super Netzwerk an ehrenamtlichen Organisationen in der Stadt, die über die Ehrenamtsagentur gebündelt sind. Wer sich als Freiwillige oder Freiwilliger melden möchte, ist bei der zentralen Anlaufstelle genau richtig. Von dort aus wird man dann an die jeweilige Organisation weitervermittelt, die Bedarf an Unterstützung hat.
Was ist für Sie Heimat?
Heimat ist für mich Gelsenkirchen und das Ruhrgebiet im Allgemeinen. Einfach der Ort, wo meine Familie, meine Freunde und Arbeitskollegen sind. Hier bin ich großgeworden und habe viele schöne Momente durchlebt – das verbindet. Deshalb würde ich hier auch nicht wegziehen. Gerade im Alter fällt es oft schwerer neue Freundschaften zu schließen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Tafel Gelsenkirchen? Was könnte konkret verbessert werden?
Ich wünsche mir, dass wir als Tafel mehr Lebensmittel geliefert bekommen, um die Menschen besser zu unterstützen. Aber auch, dass wir uns auf regelmäßig gelieferte Mengen verlassen können. Das würde unsere Arbeit erleichtern.
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