„Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ – das bedeutet über sich selbst und Missgeschicke lachen, die Irrungen und Wirrungen des Lebens nicht allzu ernst zu nehmen und immer wieder aufzustehen, wenn man mal Dreck gefressen hat. Wenn es eine Region gibt, die dieses Mantra mit Haut und Haaren verkörpert, dann ist es wohl das Ruhrgebiet. Hier bei uns finden sich so viele Komikerinnen und Komiker, Kabarettisten, Comedians und Kleinkunstbühnen, wie sonst nirgendwo in Deutschland. Aber auch der „Ruhri“ an sich ist bekannt für seinen ganz eigenen Humor: frech, direkt, ehrlich und dabei stets selbstironisch.

Doch wieso ist der Humor bei uns im Ruhrgebiet so stark ausgeprägt? Warum sind wir so ein „lustiges Völkchen“?  In der Vergangenheit gab es hier jedenfalls nicht immer so viel zu lachen. Die Arbeit unter Tage oder im Stahlwerk war hart. Die Menschen malochten von früh bis spät, die körperliche Arbeit zerrte an den Kräften und der Arbeitsschutz hatte keinen hohen Stellenwert. Die Spuren zeichneten tiefe Furchen: Silikosen oder besser bekannt als „Staublungen“ fesselten viele stolze Bergmänner ans Bett, aber auch das Arbeiten mit kochendem Stahl und Chemikalien stellten große Gefahren dar.

Doch auch abseits von Zechen und Stahlwerken war das Leben im Ruhrgebiet von der Schwerindustrie geprägt: Viele Arbeiter wohnten mit ihren Familien in kleinen Zechenhäuschen, dicht an dicht mit den Nachbarn. Es gehörte bis in die 1980er-Jahre dazu, dass die Luft nach verbranntem Metall roch, der frisch gewaschenen Wäsche, die draußen im Garten zum Trocken aufgehängt wurde, sich vom Kohlestaub grau färbte. Der Bochumer Autor und Kabarettist Frank Goosen beschreibt die Situation in seinem Buch „Sweet Dreams - Rücksturz in die Achtziger“ wie folgt: „Für das Ruhrgebiet waren die achtziger Jahre eine Zeit des fortgesetzten Umbruchs. Das Alte war noch nicht ganz weg, das Neue noch nicht da". Mit dem Rückgang von Bergbau und Stahlindustrie kam für viele Menschen die Arbeits- und Perspektivlosigkeit. Eine ganze Region drohte in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen.

In solchen Situationen kann man natürlich den Kopf in den Sand stecken und sich der Tristesse hingeben. Die Menschen im Ruhrgebiet aber fingen an, für ihre Region und ihr Leben zu kämpfen und arbeiteten über Jahrzehnte an einer Metropole Ruhr, abseits der Schwerindustrie. Der Wandel ist bis heute noch nicht abgeschlossen, aber es hat sich bereits vieles verändert. Man musste sich das Leben erträglich machen und vor allem durfte man sich nicht unterkriegen lassen. Das beste Mittel dagegen war und ist der Humor. Da liegt wahrscheinlich auch „des Pudels Kern“: Der Humor im Ruhrgebiet entstand aus einer gewissen Verzweiflung und einer Trotzhaltung heraus. Sich trotz aller Umstände nicht aufzugeben und der Welt erhobenen Hauptes entgegenzutreten. Was hat man schon zu verlieren? Diese Haltung erklärt unsere Grundmentalität hier im Pott und natürlich auch unseren Humor. Daraus gewachsen sind viele unterschiedliche Charaktere und Comedians, die unsere Comedylandschaft bis heute prägen. Und die einstigen Orte unserer Schwerindustrie verwandelten sich in Kulturzentren und Kleinkunstbühnen, wie zum Beispiel die Zeche Carl in Essen, die Kaue in Gelsenkirchen, der Hasper Hammer in Hagen, die Flottmannhallen in Herne als ehemaliger Bergbauzulieferer und das Zentrum Altenberg in Oberhausen, eine alte Zinkfabrik.

Der „Ur-Typs“ des „Ruhris“ als Erfolgsgeschichte

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Auf den zahlreichen entstandenen Kleinstkunstbühnen machten viele Kabarettisten und Comedians ihre ersten Schritte und entwickelten verschiedenste Rollen und Typen, die unsere Ruhrgebietsmentalität widerspiegeln. Die Bandbreite der Ruhrgebiets-Humoristen ist groß, gerade aber die Verkörperung des „Ur-Typs“ des „Ruhris“ ist eine Erfolgsgeschichte. Paradebeispiel ist hier Uwe Lyko aka Herbert Knebel aus Essen-Altenessen. Der nörgelnde Frührentner mit Ruhrgebiets-Slang begeistert sein Publikum seit Jahren mit seinem trockenen und ehrlichen Humor. Einen weiteren „echten“ Ruhrgebietler verkörpert Thomas Schröder, besser bekannt als Atze Schröder. In der Ruhrpott-Comedyserie „Alles Atze“ spielt der Mann mit der Locken-Perücke und der getönten Brille einen Kioskbesitzer in Essen-Kray. Atze Schröder ist ein Macho mit dem Herz auf der Zunge und auch sonst bedient die Serie alle Ruhrgebietsklischees. Mit derbem und schwarzem Humor ist auch das erfolgreiche Frauenkabarettduo „Missfits“ groß geworden. Stephanie Überall, geboren in Mülheim an der Ruhr und Gerburg Jahnke, geboren in Oberhausen, zeigten bis zu ihrer letzten gemeinsamen Vorstellung im Jahr 2005, dass auch die Ruhrgebietsfrau kein Blatt vor dem Mund nimmt.

Doch auch jüngere Generationen aus dem Ruhrgebiet treten in die Fußstapfen der Comedy-Größen und prägen die Szene. Dabei stellen sie neue Aspekte in den Vordergrund. Wie etwa Tony Bauer oder Abdelkarim, die in ihr Comedy-Programm auch ihre Erlebnisse und Erfahrungen ihres Migrationshintergrunds einfließen lassen. Zwar wird der Pott aufgrund seiner Gastarbeiter-Historie als „Melting-Pot“ der Kulturen bezeichnet, trotz alledem werden Menschen mit Migrationshintergrund auch im Ruhrgebiet mit Ressentiments und Diskriminierung konfrontiert. Eine Waffe, um mit diesen Vorurteilen und Stereotypen umzugehen, ist auch hier der Humor. Der Duisburger Tony Bauer thematisiert in seinen Auftritten aber auch seine Krankheit und geht in „Ruhrgebietsmanier“ sehr offen und ehrlich damit um. Der Comedian leidet seit seiner Geburt an einem Kurzdarmsyndrom, bei der man über Schläuche künstlich ernährt werden muss. Mit acht Jahren lag der 28-Jährige deswegen sogar für ein Jahr im Koma.

Feststeht, egal wie sich der Ruhrgebietshumor in Symbiose mit unserer Region noch weiterentwickeln wird, er wird immer ein fester Bestandteil der Comedyszene in Deutschland bleiben. Denn niemand lacht so ehrlich und dreckig über sich selbst, ohne dabei seine Haltung und sein Herz zu verlieren, wie das Ruhrgebiet selbst.

Diese Komikerinnen und Komiker kommen aus dem Pott:

Welche Humoristen, Kabarettisten und Comedians das Ruhrgebiet noch hervorgebracht hat und wer bei uns im Pott seine Heimat gefunden hat, zeigt diese Auswahl:

Hape Kerkeling

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09.12.1964 in Recklinghausen

Der in Recklinghausen geborene Kerkeling gilt als Schwergewicht der deutschen Comedy-Landschaft. Mit Kultcharakteren wie „Horst Schlämmer“ und Formaten wie der Ulk-Show „Känguru“ erlangte er große Popularität und ist aus der Unterhaltungsszene nicht mehr wegzudenken.

 

Ingo Appelt

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20.04.1967 in Essen

Der gebürtige Essener bereicherte die Comedy-Szene mit seinen Auftritten bei „RTL Samstag Nacht“ und im „Quatsch Comedy Club“. Bekannt für seinen bissigen Humor und seine messerscharfen Parodien, unter anderem des ehemaligen Verteidigungsministers Rudolf Scharping, hat er sich als Stimme des schwarzen Humors etabliert.

 

Torsten Sträter

© FUNKE Foto Services / CHRISTOPH WOJTYCZKA

04.09.1966 in Dortmund

Torsten Sträter, gebürtiger Dortmunder, hat sich als Kabarettist und Poetry Slammer einen Namen gemacht hat. Sein Markenzeichen, die Beanie-Mütze, ist fast so bekannt wie sein bissiger Humor.

 

 

Markus Krebs

© FUNKE Foto Services

26.07.1970 in Duisburg

Markus Krebs, geboren 1970 in Duisburg, ist ein Stand-up-Comedian, der sich vor allem durch seine bodenständigen und pointierten Witze auszeichnet. Seine Authentizität und sein Ruhrpott-Charme brachten ihm 2011 den Sieg beim „RTL Comedy Grand Prix“ und eine treue Fangemeinde ein.

 

Micky Beisenherz

© IMAGO/APress

28.06.1977 in Recklinghausen

Micky Beisenherz, geboren in Recklinghausen, ist ein Autor, Moderator und Podcaster, der sich mit scharfsinnigem Witz und pointiertem Humor einen festen Platz in der deutschen Medienlandschaft gesichert hat. Beisenherz ist vor allem als Co-Autor für verschiedene TV-Formate wie die „heute-show“ bekannt und moderiert seit 2017 den „Kölner Treff“.

 

Ines Anioli

Ines Anioli (l.) und Podcast-Kollegin Leila Lowfire © picture alliance / Eventpress Hoensch

01.09.1986 in Duisburg

Ines Anioli ist als Tochter polnischer Eltern in Duisburg aufgewachsen und hat sich als Hörfunkmoderatorin, Podcasterin und Comedian einen Namen gemacht. Ihre unverblümte Art und der direkte Umgang mit gesellschaftlichen Themen zeichnen ihre Arbeit aus und begeistern ein breites Publikum.

 

Tony Bauer

© IMAGO/Panama Pictures

28.10.1995 in Dinslaken

Unzufrieden mit seinem Studium der Ernährungswissenschaften nutzte der in Duisburg-Marxloh aufgewachsene Bauer die Zeit der Corona-Pandemie, um seinen Weg in die Comedy zu finden. Mit seinem Auftritt bei der 1Live Comedy Night XXL 2022 gelang ihm der Durchbruch in der Comedy-Szene.

 

Hans Werner Olm

© imago/VIADATA

01.02.1955 in Bochum

Der gebürtige Bochumer ist als Kabarettist, Schauspieler und Sänger bekannt. Seine damalige RTL-Show „OLM!“, in der er Figuren wie „Luise Koschinky“ und „Paul Schrader“ zum Leben erweckte, brachte ihm nationale Aufmerksamkeit und eine treue Fangemeinde ein.

 

Abdelkarim

© Karl Banski / FUNKE Foto Services

06.10.1981 in Bielefeld

Der in Bielefeld geborene und in Duisburg lebende Abdelkarim hat die deutsche Comedy mit seiner einzigartigen Perspektive als Sohn marokkanischer Eltern bereichert. Sein Programm, das gekonnt Integration und Alltagskomik verbindet, erfreut sich großer Beliebtheit.

 

Anna Lea Kopatschek

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