Wärme, Fürsorge, Freundschaft, Unterstützung, Mitgefühl, Verständnis, Hilfe und Unendlichkeit: Wenn Kate Kutsevol (46) über das Ruhrgebiet spricht, sprudeln die wertschätzenden Worte nur so aus ihr heraus. Die Kunstfotografin flüchtete mit ihrem damals 14-jährigen Sohn 2022 aus ihrer Heimatstadt Wischgorod in der Ukraine nach Bochum.

Wir haben sie interviewt:

 

Konnten Sie trotz der traurigen Umstände, die Sie hierher geführt haben, in Bochum eine Art Heimat finden?

Natürlich ist meine Heimat in der Ukraine. Dort sind mein Mann und meine Eltern. Aber egal, wie weit weg die Menschen von ihrer Heimat sind, nennen sie immer den Ort, zu dem sie nach einem gewöhnlichen Tag zurückkehren, ihr Zuhause. Und ich genauso. Hier lebe ich in einer gemieteten Wohnung in einer grünen und gemütlichen Gegend. Tatsächlich ist meine Wohnung nicht nur deshalb mein Zuhause, weil ich jeden Tag dorthin zurückkehre, sondern auch deshalb, weil ich wirklich begonnen habe, sie als mein Zuhause zu fühlen. Also auf Ihre Frage kann ich antworten: Ja! Ich habe hier einen Ort gefunden, den ich mein Zuhause nennen kann.

„Ja! Ich habe hier einen Ort gefunden, den ich mein Zuhause nennen kann.“

Kate Kutsevol

Wie haben Sie die Menschen erlebt, denen Sie nach Ihrer Flucht begegnet sind? Hat man Sie gut aufgenommen?

Wenn ich meine Gefühle gegenüber den Menschen hier in Worte fassen könnte, würde ich Begriffe wie Wärme, Fürsorge, Freundschaft, Unterstützung, Mitgefühl, Verständnis, Hilfe und Geduld verwenden. Die Menschen, die in den ersten Tagen meines Aufenthalts hier an meiner Seite waren, diejenigen, die bis heute geblieben sind, und diejenigen, die ich im Laufe der Zeit hier treffe, verfügen über eine unerschöpfliche Quelle aufrichtiger Freundlichkeit. Die ganze Zeit, als ich Hilfe erhielt, stellte ich mir die Frage: „Wie würden wir Flüchtlinge bei uns zu Hause aufnehmen, wie würden wir ihnen helfen, wenn der Krieg nicht in unserem Land wäre und wir selbst Menschen aufnehmen würden, die vor dem Krieg fliehen?“ Aber das waren nur Überlegungen. In der Realität erhielt ich nicht nur materielle Hilfe – Unterkunft, Essen, Kleidung –, sondern auch moralische Unterstützung. Ich habe hier echte Freunde gefunden. Insbesondere Ellen Hopmann hat mir geholfen und mich unterstützt, die Fotos von ukrainischen Fotografien*innen nach Bochum zu bringen und eine Ausstellung über das dunkle Kiew ohne Beleuchtung zu zeigen. Jetzt, wenn ich mir wegen irgendetwas Sorgen mache, wiederhole ich die Worte, die ich oft von meinen neuen Freunden gehört habe: „Kein Problem! Alles wird gut! Schritt für Schritt.“ Ich bin immer wieder von der Geduld und Gelassenheit der Deutschen begeistert. Ich möchte das unbedingt lernen.

„Dieses Jahr hat die Ukraine die Feier des Weihnachtsfestes wieder aufgenommen, so wie es früher war, bevor sie von der Sowjetunion besetzt wurde. Jetzt kommt der Heilige Nikolaus am 6. Dezember zu unseren Kindern, genauso wie zu allen Kindern in Europa. Genau wie die meisten Europäer feiern wir Weihnachten am 25. Dezember.“

Kate Kutsevol

Ihr erstes Weihnachten war noch etwas „komisch“, wie werden Sie dieses Jahr feiern?

Dieses Jahr hat die Ukraine die Feier des Weihnachtsfestes wieder aufgenommen, so wie es früher war, bevor sie von der Sowjetunion besetzt wurde. Jetzt kommt der Heilige Nikolaus am 6. Dezember zu unseren Kindern, genauso wie zu allen Kindern in Europa. Genau wie die meisten Europäer feiern wir Weihnachten am 25. Dezember. Dadurch verstärkt sich in diesem Jahr das Gefühl von Festlichkeit und Wunder, nicht nur, weil wir an den traditionellen Tagen feiern, an denen unsere Urgroßeltern vor langer Zeit gefeiert haben, sondern auch, weil wir dies gemeinsam mit der zivilisierten Welt tun. In diesem Jahr werden wir auf jeden Fall den Stern ans Fenster hängen, so wie es unsere Nachbarn tun, werden die vier Kerzen im Adventskranz vor Weihnachten anzünden, werden versuchen, alle Weihnachtsmärkte in Nordrhein-Westfalen zu besuchen, werden mit Freunden plaudern, Glühwein trinken und Leckereien auf der Straße neben den Holzhäuschen essen. Und wir werden auf jeden Fall die Kirche besuchen, um die Weihnachtsandacht zu hören und für die Ukraine und den Sieg zu beten.

 

Wie verbinden Sie an Weihnachten ukrainische Traditionen und Traditionen aus dem Ruhrgebiet?

Zu Hause in der Ukraine haben wir an Weihnachten die Tradition, Weihnachtslieder zu singen. Dies sind alte Lieder, mit denen wir Glück, Erfolg, Geburt von Kindern, Gesundheit usw. in unser Haus rufen. Diese Lieder singen wir gemeinsam unter dem Weihnachtsbaum oder für unsere Freunde und Nachbarn. Wir versammeln uns als Gruppe, als Familie. Wir tragen lustige Kostüme. Traditionell muss jemand als Ziege verkleidet sein. In den Händen halten wir den Weihnachtsstern. Es kann Stern aus Holz sein, geschmückt mit bunten Bändern und an einem langen Stock befestigt, damit er von weitem sichtbar ist. Mit dieser Gruppe besuchen wir Nachbarn, Freunde, Verwandte. Wir singen gemeinsam Weihnachtslieder für sie und diejenigen, für die wir singen, geben uns Geld oder bewirten uns mit Leckereien oder haben einfach Kekse und Süßigkeiten vorbereitet. Normalerweise behalten die Kinder das gesamte Geld für sich. Für alle anderen ist es einfach eine schöne Tradition, bei der wir uns freuen und fröhlich auf das neue Jahr anstoßen. Ich würde gerne auch meine Freunde hier in Deutschland, meinem zweiten Zuhause, mit ukrainischen Weihnachtsliedern und dem Stern in der Hand begrüßen. Ich möchte mit dieser Tradition den Deutschen nicht nur für ihre Wärme und Freundlichkeit danken, sondern auch von ganzem Herzen Deutschland und uns allen Frieden wünschen.

 

Was ist Ihre große Hoffnung für die Zukunft?

Natürlich wünsche ich mir Frieden und Wohlstand für mein Land. Ich möchte, dass der Krieg endet, dass die Russen aufhören, Ukrainer zu töten. Ich möchte, dass mein Land Teil der europäischen Familie wird und unsere Welt sich erfolgreich entwickelt.

 

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