Im Ruhrgebiet wird nur Fußball gespielt? Stimmt nicht! In Hagen wird der Ball traditionell in den Korb geworfen. Die Stadt am südöstlichen Rand des Ruhrgebiets ist tief mit dem Basketball verwurzelt und besitzt mit Phoenix Hagen einen erfolgreichen Zweitliga-Verein. Hier hat sich eine außergewöhnliche Gruppe von Menschen zusammengefunden, um auf dem Basketballfeld mehr als nur Punkte zu erzielen. Das Unified Basketball Team Hagen zeigt eindrucksvoll, dass der Sport nicht nur über Sieg oder Niederlage entscheidet, sondern die Fähigkeit besitzt, Brücken zwischen Menschen zu bauen und ein Gefühl der Zugehörigkeit zu schaffen.
Das Besondere am Unified Basketball Team vom TSV Hagen 1860 ist, dass hier Sportler mit geistiger Beeinträchtigung (Athleten) und ohne Beeinträchtigung (Partner) zusammenspielen und am regulären Spielbetrieb der zweiten Kreisliga teilnehmen. Die Botschaft des Teams ist klar: Jeder Mensch, ungeachtet seiner Fähigkeiten, hat das Recht auf Teilhabe und die Möglichkeit, sein volles Potenzial zu entfalten.
„Wir sind hier wie eine Familie und halten zusammen – egal ob wir verlieren oder gewinnen. Wir motivieren uns gegenseitig“, beschreibt Dennis Huber seine Mannschaft. Der 35-jährige Athlet ist leidenschaftlicher Basketballer und steht seit 2009 für das Team Unified auf dem Spielfeld, damals noch unter dem damaligen Trainer und Gründer der Mannschaft, Heinz-Werner Schmunz, der im Jahr 2021 verstarb. Er war es auch, der Dennis Huber damals ins Team holte. „Heinz-Werner Schmunz ist hier in Hagen eine treibende Kraft gewesen. Ihm lag viel an dem Projekt ‘Unified’ und er hat hier vieles ermöglicht“, sagt Martin Hansmeier, der als Partner das Team unterstützt. Auch er spielt schon lange Basketball und wechselte über Bekannte zum TSV Hagen 1860, als sich seine alte Mannschaft auflöste. Wenn Martin Hansmeier nicht gerade auf dem Platz steht, arbeitet er als Sozialarbeiter im Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.
„Mir gefällt am Basketball vor allem dieser Antrieb. Wir haben hier im Team einen großen Zusammenhalt und muntern uns gegenseitig auf, wenn mal Fehler passieren. Wir meckern uns nicht an und wir spielen einfach weiter, egal wie hoch wir verlieren. Wir geben nicht auf“, sagt Dennis Huber. Doch was macht den Unterschied zu anderen Teams aus?„Was ich gegenüber den anderen Teams, bei denen ich gespielt habe, wirklich besonders finde, ist der gegenseitige Respekt untereinander als auch gegenüber dem Schiedsrichter und dem Gegner. Der Umgang ist generell freundlicher und wertschätzender – das geht von unserem Coaching-Team aus und zieht sich durch unsere ganze Mannschaft. Das finde ich, ist eine Besonderheit“, sagt Martin Hansmeier.
Im Team und auf dem Feld spielen die Unterschiede zwischen den Spielern dafür keine große Rolle. Das Trainer-Team um Fabian Kahlmeier achtet im Spiel darauf, dass die Spieler fair verteilt eingesetzt werden. „Im Normalfall ist es so, dass immer mehr Athleten als Partner auf dem Feld stehen. Wir wollen nicht um jeden Preis gewinnen. Bei uns gilt der Leitsatz: Wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen“, erklärt Martin Hansmeier. Für beide Unified-Spieler steht aber fest, dass die Einteilung in Athleten und Partner für das Zusammenspiel nicht von großer Bedeutung ist.
„Für uns ist das kein Unterschied. Wir sind in unserem Team alle gleich und wir behandeln uns alle gleich“, betont Dennis Huber. „Unsere Partner sind häufig auch die erfahreneren Spieler, die teilweise sogar in höheren Ligen gespielt haben als ich. Sie können taktische Tipps geben, Laufwege kurz ansagen oder Hinweise geben, wo man im Spiel am besten steht. Manche Athleten haben damit Schwierigkeiten und können sich Spielzüge nicht so gut merken, gleichen es dann aber durch andere Fähigkeiten wieder aus“, ergänzt Martin Hansmeier. „Es kommt nicht darauf an, ob jemand eine Beeinträchtigung hat oder nicht. Hier geht es darum, dass wir zusammen Basketball spielen, Spaß haben und uns bestmöglich unterstützen.“
Den Zusammenhalt beim Training und dem Spielfeld überträgt sich auch auf das Leben außerhalb des Hallenbodens. „Ich fühle mich bei Unified sehr wohl. Meine Mannschaft gibt mir auch ein Stückweit Sicherheit. Natürlich ist vor allem meine Familie meine Heimat, aber mein zweites Zuhause, das ist hier“, sagt Dennis Huber. Der gebürtige Hagener kann sich nicht vorstellen, in eine andere Stadt zu ziehen, hier hat er alles: seine Familie, seinen Beruf als Gebäudereiniger bei der Caritas, seine Freunde und seinen Verein. Hagen als Basketball-Stadt spielt dabei natürlich auch eine Rolle. Martin Hansmeier kommt eigentlich aus der Stadt, die auch als „Tor zum Sauerland“ bezeichnet wird, hat viele Jahre auch in Köln und Düsseldorf gelebt. Basketball hat er aber immer in Hagen gespielt. Er hat es auch nie bereut vor einem Jahr wieder ins Ruhrgebiet zu ziehen. „Natürlich hat Hagen als Stadt seine Probleme und seine unschönen Seiten – egal ob es die sogenannte ‘Problemviertel’ sind oder die hohe Schuldenlast ist. Nichtsdestotrotz fühle ich mich wohl hier, mit den Menschen. Ich finde es ist ein toller Ort zum Leben mit vielen Möglichkeiten und kulturellen Angeboten. Hagen ist eine lebendige Stadt“, sagt der Sozialarbeiter. „Für mich macht der Begriff Heimat vor allem die Menschen in meinem Leben aus. Es ist aber auch schön, wenn man sich an Orten auskennt und heimisch fühlt. Köln ist beispielswiese so eine große Stadt, da kannte ich mich vielleicht in zwei Stadtvierteln richtig gut aus. Hier das einfach anders.“
Das Konzept „Unified“ zeigt also, dass Basketball-Training mehr sein kann als einfach nur Sport: Nämlich Familie, Heimat und Freundschaft. Die Spieler können aber auch für sich selbst etwas mitnehmen. „Ich habe durch das Spielen hier bei Unified Hagen gemerkt, dass ich mich zum Positiven verändert habe. Vor allem bin ich ruhiger, gelassener und selbstbewusster geworden – auf dem Spielfeld kann ich natürlich auch anders, aber ich lasse das lieber, sonst bekomme ich noch Ärger“, sagt Dennis Huber mit einem Augenzwinkern. „Obwohl ich der Älteste und Erfahrenste der Mannschaft bin, kann ich immer noch viel meinen Mitspielern lernen. Jeder bringt tolle Fähigkeiten und Eigenschaften mit: Ob das Willi mit seinem Charme ist, ob das Huber und Zackie sind, die bei jedem Spiel ein paar Quadratzentimeter Haut auf dem Hallenboden lassen, weil sie wirklich jedem Ball hinterherjagen oder ob es Diren ist, der den Ball selbstbewusst und ohne großnachzudenken in den Korb wirft – ich könnte das ganze Team durchgehen und positive Eigenschaften aufzählen,“ ergänzt Martin Hansmeier.
Der Gedanke, dass Sport gerade ohne Vorurteile und besonders durch unterschiedliche Menschen funktionieren kann, wird in Hagen beim Unified Basketball-Team vom TSV Hagen 1860 eindrücklich bewiesen. Mit Erfolg - mittlerweile gibt es nicht mehr nur Unified Teams in Essen oder Hagen, sondern auch in Düsseldorf, Köln oder Bonn. „Das finde ich super“, freut sich Martin Hansmeier. „Ich würde mir wünschen, dass es mehr selbstverständlich ist, gemeinsam Sport zu machen. Für unsere Truppe wünsche ich mir, dass wir weiterhin so zusammenbleiben und zusammenhalten wie bisher. Und dass ich noch viele Jahre Teil des Teams sein kann.“
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